Die neun meistgestellten Fragen
Wie hat euer Reiseleben begonnen?

Wir kennen einander seit dem Alter von Teenagern. Unsere erste gemeinsame Fahrradtour war vor zwanzig Jahren in Holland. Von da an waren wir in unseren Ferien meistens mit dem Fahrrad unterwegs. Zunächst aus Kostengründen, später, weil wir das Fahrrad als menschennahes Transportmittel schätzen gelernt hatten. Auf Touren durch Europa folgten Sommerferien in Madagaskar. Wir merkten, dass wir durch das langsame Unterwegssein mehr Zeit brauchten, nahmen uns ein Jahr Auszeit und radelten durch Südamerika. Von da an war es um uns definitiv geschehen. Unsere Reisesehnsucht kam nicht mehr zur Ruhe und nachdem wir drei Jahre gearbeitet hatten, reichte das Geld für ein weiteres Jahr in Zentralasien. Vier Jahre später brachen wir zur aktuellen Reise auf. Mit offenem Zeithorizont.

Das Aufgeben unserer guten Jobs und das Zurücklassen von Freunden und Familie auf unbestimmte Zeit war anfänglich hart. Wir fühlten uns zu Hause wohl, aber von unseren früheren Reisen wussten wir, dass sich dieser Schritt lohnt. Wir haben ihn nie bereut.

Warum ist Reisen für euch wichtig?

Das Reisen ist inzwischen zu unserem Leben geworden, mit allen Hochs und Tiefs. Waren wir in unseren frühen Reisejahren oft von Eindrücken und Erlebnissen überwältigt, fühlen wir uns mittlerweile in fast allen Kulturen zu Hause. Wir sehen diese Welt als globalen, vernetzten Lebensraum. Werte wie Gastfreundschaft, Toleranz und Hilfsbereitschaft werden von vielen Menschen gelebt und wir dürfen sie tagtäglich erfahren. Respektlosigkeit, Hass, die Verbreitung von Angst und das Schüren von Klischees sind entweder im Interesse von sehr reichen oder sehr verzweifelten Menschen.

Wir denken, dass Reisen grundsätzlich den Blick auf die Welt verändert. Eine mongolische Redensart meint „einmal sehen ist besser als tausendmal hören“. Den Klimawandel als real zu erleben, gegen 100km/h starken Sturmwind in den Anden anzukämpfen, wo eigentlich gerade die beste Reisezeit sein sollte, im März eine Tour auf dem gefrorenen Yukon abbrechen zu müssen, weil plötzlich das Eis wegschmilzt oder in Panik zu geraten, weil die Wasserstelle im Sudan, mit welcher man gerechnet hat, einfach ausgetrocknet ist, würde jede Debatte darüber ersparen. Grosse Themen wie Umweltverschmutzung, Korruptionsbekämpfung, oder nachhaltige Ressourcennutzung würden kreativer, umgehender und wahrscheinlich auch erfolgreicher angegangen, wenn mehr Menschen reisen würden. Fragen wie Kulturzugehörigkeit und religiöse Spannungen würden wohl in den Hintergrund rücken.

Was ist für euch das Beste am Unterwegssein?

Die Welt als Ganzes zu erleben. Zu sehen, wie unterschiedlich Menschen leben, wie vielfältig die Erde ist. Eine Stadt wie Dubai zu durchstreifen oder bei einer Nomadenfamilie auf dem tibetischen Plateau in ihrem Yakhaarzelt eingeladen zu sein, ist ein so krasser Unterschied, dass wir uns oft nicht nur als Reisende von Ort zu Ort, sondern auch als Zeitreisende fühlen. Wüsten, Regenwälder, Berge und Steppen aus eigener Kraft zu durchqueren, ein wärmendes Feuer in der arktischen Kälte zu spüren oder einen Wolf in freier Wildbahn heulen zu hören, ist eine wundervolle Erfahrung.

Und was ist das Schwierigste?

Als Fahrrad Reisender ist man verletzlich. Man hat kein schützendes Auto, mit dem man Gas geben kann und einer beängstigenden Situation einfach davonkommt. Man kann auch nicht Gebieten, welche klimatisch / versorgungstechnisch schwierig sind, einfach mit einer längeren Tagesetappe ein Schnippchen schlagen. Mittlerweile haben wir genug Erfahrung, wie man solche Strecken planen und bewältigen kann. Fühlen wir uns in einem Land oder einer Region unsicher, schlafen wir im Hotel, statt im Zelt. Ist eine Strasse zu stark befahren, nehmen wir den Bus oder verladen auf einen Truck. Früher hatten wir das Gefühl, dass man alle Strecken von A bis Z nur mit dem Fahrrad bewältigen muss. Dies hat manchmal zu emotional oder körperlich schwierigen Situationen geführt, denen wir uns heute nicht mehr aussetzen oder die wir durch sorgfältige Planung vermeiden können. Je länger wir unterwegs sind, desto mehr ist das Thema Motivation ins Zentrum gerückt. Wo und wie reisen wir, damit wir uns selbst herausfordern können und inspirierenden Menschen begegnen.

Wie esst und übernachtet ihr unterwegs?

Wir essen lokal, wo immer sich das anbietet. Die Strassenküche in Indien, Südostasien oder China ist billig und fantastisch. Da macht es keinen Sinn, selber zu kochen. Auf einsamen Strecken, oder in Ländern wo Restaurants teuer sind oder das Essen eintönig, kochen wir selber. Unsere Küchenausrüstung ist einfach, wir haben einen robusten Benzinkocher, einen Alutopf, Messer, Gabel und Löffel. Damit lässt sich so ziemlich alles zubereiten. Haben wir einen guten Supermarkt zur Verfügung, kochen wir aufwändiger. Wenn wir Proviant mitführen, besteht dieser häufig aus Haferbrei, Gries oder Polenta zum Frühstück, Brot, Käse, Instantnudeln, Nüssen, Trockenfrüchten und Schokolade zum Mittagessen und Pasta zum Nachtessen. Dabei schauen wir darauf, dass wir die Pasta mit proteinhaltigen Nahrungsmitteln wie Bohnen, Quinoa oder Sojafleisch / Tofu mixen und mit Gemüse / Trockengemüse ergänzen.

In dicht bewohnten Gebieten übernachten wir bei Leuten oder in einfachen Unterkünften. Sind Unterkünfte im Land teuer oder reisen wir durch Wildnis- / Wüstengebiete, zelten wir.

Welche Tipps könnt ihr Reiseanfängern geben?

Wir erleben immer mehr, dass Reisende das Reisen selbst verpassen. Sie reisen möglichst komfortabel und sicher von einem touristischen Highlight zum anderen und wollen in kurzer Zeit möglichst viel sehen. Das Reisen entwickelt sich immer mehr zu etwas Passivem, etwas, das man konsumieren kann. Dabei denken wir, dass langsam und aktiv unterwegs zu sein, die kleinen Sehenswürdigkeiten dazwischen zu entdecken und sich mit der Einfachheit des Lebens auseinanderzusetzen, das Wichtigste und Schönste am Reisen ist. Wer vom Reisen träumt, aber Angst hat seinem gewohnten Leben den Rücken zu kehren und „den Schritt“ zu wagen, dem empfehlen wir mit kleinen Abenteuern zu beginnen und daran zu wachsen, zurückzukehren und erneut aufzubrechen. Es muss nicht gleich eine mehrjährige Reise sein.

Wie bereitet ihr euch auf eure Touren vor?

Wir haben uns nie körperlich besonders auf eine Reise vorbereitet. Je länger wir unterwegs waren, desto fitter wurden wir und desto mehr Möglichkeiten ergaben sich, forderndere Strecken zu bewältigen. Zur Zeit planen wir jeweils grob das nächste halbe Jahr, in welchen Ländern und Regionen wir uns aufhalten wollen. Dazu benutzen wir Bilder, Blogs und Reportagen aus dem Internet. Sind wir dann dort, arbeiten wir eine Detailroute für die nächsten 600- 700 Kilometer aus. Seit wir nicht mehr mit klassischen Tourenvelos unterwegs sind, versuchen wir geteerte Strassen zu vermeiden und investieren viel Zeit ins Suchen von Pisten und Trails. Dazu benutzen wir Satellitenbilder und digitales Kartenmaterial auf dem Smartphone. Darauf folgt eine detaillierte Planung von Proviant und benötigter Zeit, sofern wir besiedeltes Gebiet verlassen.

Wie finanziert ihr euer Unterwegssein?

Wir haben für die Schweiz sehr billig gelebt und auch für unsere Freizeit kaum Geld ausgegeben. Draussen unterwegs zu sein, ist gratis und das haben wir auch zu Hause genutzt. Durchs Unterwegssein mit dem Velo haben wir gelernt, mit wenig auszukommen und nur zu kaufen, was wir wirklich brauchen. So konnten wir über mehrere Jahre einer unserer beiden Monatslöhne auf die Seite legen. Wir hatten nie ein Auto und die letzten zwei Jahre vor unserer jetzigen Reise haben wir auf einem Campingplatz gewohnt. Es war uns immer wichtig, dass wir für unsere Reisen selbst aufkommen können und unterwegs die Gastfreundschaft nicht ausnutzen, um uns unser Reiseleben zu finanzieren. Im Schnitt brauchen wir unterwegs pro Person zwanzig Franken pro Tag. Dies deckt alle Kosten, auch Flüge, Materialkauf, Versicherungen und das Reisen in teureren Ländern wie den USA oder Japan. Statistisch gesehen verbringen wir ca. 50% der Zeit nicht auf dem Velo, sondern machen Pause. Während dieser Zeit sind wir meistens in einer festen, bezahlten Unterkunft. Wir könnten also noch billiger reisen, wenn wir das müssten. Im Nachhinein würden wir unsere Ersparnisse wohl vor der Reise besser anlegen. Ein Studio kaufen und dieses dann per Air BnB vermieten. Eine solche Einnahme könnte ein Grossteil unserer Ausgaben decken.

Wie kombiniert ihr Reise- und Arbeitsleben?

Vor der ersten einjährigen Reise haben wir beide vier Jahre gearbeitet. Danach zweimal in einem Dreijahresrhythmus. Seit vier Jahren haben wir keine festen Einnahmen mehr bzw. sind wir ununterbrochen unterwegs. Zur Zeit machen wir uns Gedanken, wie wir das in Zukunft machen wollen und ob es eine Möglichkeit für uns gäbe das „normale Leben“ und das „Nomadenleben“ sinnvoll und ausgewogen miteinander zu verbinden.

Noch mehr Fragen? Einige haben wir Kurt Aeschbacher auf SRF beantwortet. Hier gehts zum (schon etwas älteren) Interview: www.srf.ch - Aeschbacher Interview

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