RAW Offroad Langzeitreview

Vor genau einem Jahr waren wir für einen Monat zu Hause in der Schweiz, um von unseren klassischen Tourenfahrrädern auf ein leichteres Bikepacking Setup und ein passendes Bike umzusteigen. Unsere Wahl: Das RAW GP Offroad. Das RAW wurde von der Schweizer Firma MTB Cycletech als spezielles Bikepacking Rad entwickelt und kam im Frühjahr 2016 auf den Markt. MTB Cycletech schreibt dazu: "Den Raw-Rahmen haben wir so ausbalanciert, dass die Gewichtsverteilung auf mehrtägigen Touren mit einigen Bikepacking-Taschen optimal bleibt, und du dich auch auf schmalsten Trails agil bewegst." Wir sind nun etwas länger als "mehrere" Tage mit dem RAW unterwegs. Im letzten Jahr haben wir damit 15'000km zurückgelegt. Und wir möchten meinen, dass MTB Cycletech sein Versprechen hält und sich das Bike nicht nur für den Kurztrip, sondern auch für die ganz grosse Reise sehr gut eignet.

Geometrie

Das RAW Offroad fährt sich sicher, super stabil und zugleich wendig auf Pisten und Trails. Vorher waren wir mit 26" Rädern unterwegs. Die Stabilität, welche auf ruppigem Gelände durch die 27.5" Radgrösse erreicht werden kann, war für uns vom ersten Downhill an spürbar. Dabei hatten wir nie das Gefühl, dass wir dabei an Wendigkeit einbüssen würden. Dies ist sicher auch den kurzen Kettenstreben zu verdanken, welche MTB mit dem Einbau von ihrem speziellen RAW Verbindungselement erreicht.

Martin schreibt in seinem RAW Kurztest auf biketour-global.de "Das Raw Offroad braucht die Piste, braucht den Schotter und die Erde." Wir sehen das nicht zwingend. Die Stärke der RAW Geometrie liegt eben gerade darin, dass es den Spagat zwischen MTB und Strassenvelo schafft. Eine wichtige Voraussetzung für ein Langzeit-Bikepacking-Rad. Wenn man ein Jahr oder länger unterwegs ist und sich nicht nur die Offroad Rosinen herauspickt, landet man als Bikepacker früher oder später auch für längere Strecken auf Asphaltstrassen. Wir haben dabei die Geometrie unserer klassischen Tourenräder nie vermisst oder uns auf dem RAW am falschen Platz gefühlt. Es lässt eine relativ aufrechte Sitzhaltung zu, wenn man das will. Das Oberrohr ist zwar abgesenkt, aber nicht zu stark, was wichtig ist, um Platz für eine grosse 8 Liter Rahmentasche zu schaffen.

Das RAW fährt sich auf Asphaltstrassen wie ein Tourenrad, und auf Trails wie ein Mountainbike. Es ist in hohem Masse auf Multifunktionalität ausgelegt. Dies zeigt sich zum Beispiel auch in der Kompatibilität der Optionen für Schaltsysteme. Das RAW Offroad gibts sowohl in einer Version für Kettenschaltung wie auch für die Nabenschaltung von Rohloff. Es lässt sich mit normaler Kette fahren, aber auch mit Riemenantrieb. Gerade bei letzterem haben wir persönlich das Gefühl, dass MTB Cycletech vielleicht auch versucht hat, hier einen zu gewagten Spagat zu machen. Es ist zwar toll, dass ein so multifunktionaler Rahmen es schafft, mit kurzer Kettenstrebe Reifenweiten bis 2.4" aufzunehmen und in den meisten Fällen ist dies auch absolut ausreichend. Aber auf einer Langzeitreise ist man früher oder später auch Sand und Schnee ausgesetzt und dann wäre es schön, wenn man die Reserve hätte, einen 3" Reifen aufzuziehen.

Martin war in seiner Review eher auf Kriegsfuss mit dem Riemenantrieb und für eine wirklich lange Reise ist ein normaler Kettenantrieb wohl immer noch die sorgenlosere Entscheidung. Etwas mehr Reifenfreiheit im Gegenzug zur Einbusse der Riemenantrieb Option würden wir gerne in Kauf nehmen. Dazu muss sicher noch gesagt werden: Seit wir mit dem RAW Offroad unterwegs sind, hat MTB Cycletech auch eine Pinion Version lanciert. Systembedingt konnte MTB in dieser Version eine weitere Rad Einbaubreite berücksichtigen. Eine spannende Option, die wir bei einem Neukauf auf jeden Fall in Betracht ziehen und testen würden.

Design

Das RAW Offroad wurde an der Eurobike 2016 zum schönsten Rad gekürt. Kein Kriterium? Wir stehen selber auch in erster Linie auf Funktionalität. Doch MTB schafft eben beides, und das ist ein nettes Plus. Wir haben das Gefühl, dass man dem Fahrrad ansieht, dass es mit Liebe entworfen wurde. Und spätestens wenn man seinen Fokus vom Gesamtdesign auf die Details richtet, merkt man, dass dies eben sehr wohl eine Rolle spielen kann. Wir kennen zum Beispiel kaum ein Bikepacking Fahrrad, das über eine solide Aufnahme für einen Pletscher Ständer verfügt. Und glaubt uns: Für eine wirklich lange Reise ist ein solider Ständer selbst an einem leicht bepackten Rad wirklich eine schöne Sache. Er schont Material und Nerven und erleichtert das Abladen und Bepacken des Bikes ungemein.

Weiter hat sich MTB Cycletech für Reynolds 853 bzw. wahlweise 520iger Stahl entschieden. Das macht das RAW nicht gerade zu einem Leichtgewicht, für eine Langzeitreise ist Stahl aber für uns immer noch erste Wahl. Schraubösen an den passenden Stellen bieten die Möglichkeit, das RAW auch mit hybriden Bikepacking Lösungen zu bepacken und genug Bidonhalter zu montieren.

Aufbau / Komponenten

MTB Cycletech bietet von Haus aus bereits einige Auswahlmöglichkeiten beim Aufbau an, doch diese sind eher auf "Micro-Adventures" und Leichtigkeit ausgerichtet. Für Langzeit Bikepacking und abgelegenere Abenteuer zählen Einfachheit und Robustheit. Auf Grund dieser anders ausgelegten Kriterien haben wir unseren RAWs die folgenden Komponenten spendiert: Geöste SUN Inferno 31 Felgen, mechanische Scheibenbremsen "Spyke" von TRP (Shimano kompatible brakepads, wichtig für die weltweite Verfügbarkeit, zudem Einstellmöglichkeiten von beiden Seiten), Smart Sam Reifen von Schwalbe (ein ausgezeichneter Allrounder, sowohl für ruppige Pisten wie auch längere Asphaltstrecken, langlebig). Nach Problemen mit der von MTB Cycletech standartmässig verbauten RockShox Federgabel in den ersten Wochen, haben wir auf die TS8 Federgabel (29" Version) von Magura gewechselt. Magura schafft es mit ihrer Fettschmierung, dass ein kleiner Gabelservice unterwegs zum Kinderspiel wird. Und der Gesamtaufbau der Gabel ist eindeutig einfacher, weniger anfällig und wartungsarmer als bei RockShox. Das Set-up hat sich nun über ein Jahr und 15'000km bewährt.

Unser erstes Kaufkriterium für ein langzeittaugliches Bikepacking Rad war für uns zudem Rohloff Kompatibilität. Wir geben es zu: Wir sind der Wundernabe vorbehaltlos verfallen. Das RAW Offroad bietet eine vollwertige Rohloff Version an (RAW GP Offroad). Einbau und Kabelführung sind dabei sauber gelöst. Die Kette wird standartmässig durch ein Exzenter Tretlager gespannt, was einfach zu handhaben ist und gut funktioniert. Einziges Problem dabei: Beim Spannen unterwegs tritt oft Staub zwischen Rahmen und Lager, was zu Quietschgeräuschen führt. Daher muss man das Tretlager relativ häufig ausbauen und reinigen. Unsere RAW's wurden mit der ästhetisch sehr schönen Alfine Tretkurbelgarnitur geliefert. Diese passt zwar wunderbar ins Gesamtdesign des RAW's und hat auch einen soliden Bash Guard, doch durch das relativ grosse 42er Kettenblatt (das kleinste, welches für die Alfine Garnitur verfügbar ist) mussten wir an der Rohloff ein 18er Kettenblatt verbauen, um mit Gepäck die Anstiege im Gelände meistern zu können.

Fazit

Lasst uns ehrlich sein: Es gibt billigere Bikepacking Räder, gerade auf dem Amerikanischen Markt. Doch MTB Cycletech bietet mit seinem RAW Offroad etwas fürs Geld: Es ist ein Bikepacking Fahrrad, das den Eignungstest für eine Langzeitreise fast vorbehaltlos besteht. Es ist durchdacht, und kommt in der Verarbeitung merklich cleaner und robuster daher als viele seiner Konkurrenten. Es ist ruhig zu fahren, aber dennoch wendig und seine Multifunktionalität lässt kaum Wünsche offen. Für die wirklich lange Tour empfehlen wir, nur das RAW Rahmenset zu kaufen, und das Bike dann mit langzeitspezifischen Komponenten aufzubauen.

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