clever gepackt

Eine Velo-Weltreise ohne Gepäckträger und die klassischen Packtaschen? Viele erfahrene Langzeitradler zweifeln an dieser Möglichkeit. Gerade in Europa, wo Bikepacking erst im Kommen ist. Doch immer mehr Leichtgewichtsbikepacker sind unterwegs, fahren tolle Routen über Monate und Jahre und erfinden so eine neue Art des Unterwegsseins. Wir haben ein paar interessante Packmöglichkeiten für die grosse Tour von ihnen gesammelt - und waren überrascht, wie vielfältig die Packsysteme geworden sind.

  • Olivia & Eric
  • Justin
  • Unser Packsystem

Olivia und Eric fahren zur Zeit durch Europa und Asien mit dem Ziel interessante Routen und kaum befahrene Pisten zu entdecken. Sie schreiben und fotografieren über ihre Reise auf ridingwild.org. Als sie uns ihre Infos zusammengestellt haben, waren sie bereits elf Monate in Nordamerika und Asien unterwegs.

Welches Packsystem nutzt ihr?

Porcelaine Rocket macht eine fantastische Rahmentasche, auch wenn sie ziemlich teuer ist. Wir mögen sie, weil sie einen Rollverschluss hat und wir eine Menge Zeug reinpacken können, ohne uns um kaputt gehende Reissverschlüsse zu sorgen.

Das Revelate Harness ist simpel und stabil. Es erlaubt uns, den Drybag rasch aus dem Harness zu nehmen, ohne das ganze Harness vom Lenker lösen zu müssen. Das spart Zeit. Andere Harness-Systeme verlangen, dass der Drybag die ganze Zeit am Lenker bleibt, was für uns ein grosser Nachteil wäre. Der Drybag, den wir zusammen mit dem Harness nutzen, ist von Sea to Summit (20l, extra durable).

Carradice super C - Wir wählten den Carradice super C als einen Kompromiss. Er ist viel leichter und agiler als traditionelle Packtaschen, erlaubt uns aber etwas mehr einzupacken als ein reiner Seat Pack. Natürlich hätten wir lieber bloss einen Seat Pack, und für einen ein- bis zweimonatigen Trip würde der Platz womöglich auch ausreichen - doch mit dem Carradice haben wir genug Packraum für ein zweijähriges Abenteuer und die ganze Fotoausrüstung, die uns wichtig ist. Um den Carradice zu stabilisieren, nutzen wir einen Gepäckträger von Tubus und eine Handvoll Riemen. Wir haben diese Packform von Cass Gilbert auf seiner Südamerikareise aufgeschnappt.

Der gefürchtete Rucksack - ja, jemand von uns trägt einen Rucksack und nein, er ist kein Muss beim Bikepacken über lange Distanzen. Wir lieben es zu fotografieren und eine gute Lösung, um die Kamera auch auf holprigen Jeeppisten oder Singletrails sicher zu transportieren, ist, diese zusammen mit dem Laptop, den wir zum Bearbeiten von Fotos brauchen, im Rucksack zu tragen. Schrecklich in den Tropen, aber in kälterem Wetter kaum bemerkbar. Der kleine Rucksack ist auch praktisch in der Stadt, weil wir so alle Wertsachen an einem Ort haben.

Könnt ihr kurz erklären, wie ihr packt?

Campingausrüstung ist vorne, Essen und Kocher in der Rahmentasche, Kleider und diverse Elektronikteile im Carradice, Kamera und Laptop im Rucksack. Im Gastank auf dem Oberrohr sind Werkzeuge und Ersatzteile, im Jerrycan unter dem Sattel verstauen wir das First Aid Kit.

Wie transportiert ihr Wasser und Proviant?

Unser Essen ist in der Rahmentasche und wenn wir wirklich mehr Platz brauchen, haben wir zusätzlich sehr leichte Rucksäcke ohne Rückenteil dabei, die wir meist klein gerollt im Carradice mitführen. Damit können wir praktisch so viel Wasser und Proviant mittragen, wie wir nur wollen. Unser Rahmentaschen Set-up ohne Einsatz der Rucksäcke erlaubt uns die Mitnahme von Proviant für vier bis maximal fünf Tage.

Würdet ihr wieder gleich starten?

Ich denke oft über diese Frage nach. Die wichtigsten zwei Dinge, die ich an meinem Bike ändern würde, sind schmalere Reifen und eine Federgabel. Derzeit haben wir keine Federung und um das zu kompensieren, haben wir breite 2,5 - 3" Reifen montiert. Es macht zwar Spass mit Plus Reifen zu fahren, aber sie sind auch sehr schwer. Ich könnte mir vorstellen, auf 2,4" Reifen zurückzustufen, um das Gesamtgewicht des Fahrrads zu reduzieren und dafür eine Federgabel für holprige Pisten zu montieren. Auch denke ich ständig daran, den Carradice loszuwerden und auf einen Seat Pack zu reduzieren. Wenn ich das schaffen könnte, würde ich es tun. Wenn ich noch einen Schritt weiter bei der Gewichtsoptimierung gehe, dann frage ich mich, ob ein Aluminium Bike die Anforderungen nicht auch aushalten würde.

Wie ist das Fahrverhalten auf ruppigen Trails?

Fantastisch! Der starre Rahmen maximiert die Kraftübertragung und minimiert die Anfälligkeit. Auch wenn ich mich hin und wieder frage, wie es wäre mit einer Federung unterwegs zu sein.

© ridingwild.org - Danke Olivia & Eric für das Teilen eurer Erfahrungen

Justin fuhr von Kanada nach Patagonien. Da er besonders an abgelegenen Routen und Trails interessiert war, entdeckte er rasch die Vorteile des leichten Unterwegsseins für sich. Er nutzt ein „typisches“ Bikepacking setup, schnallt aber die Satteltasche Carradice Super C, die auch Olivia und Eric nutzen, an den Lenker. Eine ungewöhnliche, aber sehr interessante Lösung.

Wie hat sich dein Setup während der Reise verändert?

Am Anfang meiner Reise hatte ich ein ziemlich typisches Touring Setup. Während des Unterwegsseins habe ich viel Zeit mit Überlegungen verbracht, wie ich mein Bike bequemer machen und vor allem besser an raue Pistenverhältnisse anpassen kann. In Ecuador hatte ich dann die Möglichkeit, mein Fahrrad zu wechseln und die ganze Ausrüstung abzuspecken. Mit leichterem Campingmaterial und der Reduktion aufs Wesentliche, war es mir schlussendlich möglich, auf Gepäckträger und Packtaschen zu verzichten und alles Nötige direkt ans Bike zu packen. Dadurch konnte ich eine Menge Gewicht sparen und das Fahrverhalten massiv verbessern.

Wie sieht dein jetziges System aus?

Mein System besteht aus einer Lenkertasche, einer Rahmentasche und einer Satteltasche. Zusätzliche nutze ich jeden Raum am Rahmen, an dem sich irgendetwas verstauen lässt (Gabel, Oberrohr). Ich habe auch einen klein verpackbaren Rucksack, den ich aber nur brauche, wenn es nicht anders geht, beispielsweise wenn ich mehr Proviant mittragen muss. Wenn die Trails nicht allzu technisch sind, schnalle ich ihn einfach über den Lenker, statt ihn am Rücken zu tragen.

Du hast eine Satteltasche am Lenker. Warum?

Das Schwierigste bei der Umstellung war, einen Platz für meinen kleinen Laptop zu finden. Ich habe das Problem damit gelöst, dass ich den Carradice Super C am Lenker montiert habe. Diese Tasche hat genau die richtige Grösse und das nötige Polster. Mit ein paar kleinen Änderungen funktioniert dies bestens. Ich befestige ihn an einem gebogenen Jones Lenker und denke, dass er damit am stabilsten sitzt. Wahrscheinlich würde es aber auch mit anderen Lenkern gehen.

Wie packst du?

Am Lenker: Im Carradice Super C befinden sich ein 11“ Laptop, Daunenquilt, Campingmatte, Tasche mit diversen Ladegeräten, 1L Kochtopf. Linke Seitentasche: Trangia Kocher, rechte Seitentasche: Werkzeug.

Porcelain Rocket DSLR slinger: Auf der einen Seite Systemkamera, Objektiv und Regenjacke, auf der anderen Stirnlampe, Steripen, Phone charger.

An der Gabel: Salsa Anything Cages auf beiden Seiten, eine Tasche enthält Zelt und Regenhosen, die andere diverse Dinge (die ich eigentlich gar nicht brauche).

Oberrohrtaschen: Kleinteile

Rahmentasche (self-made): Proviant, Zeltgestänge mit Heringen, Ersatzteile, Brennstoffflasche

© Justin Bill - Danke Justin für das Teilen deiner Erfahrungen

Wir waren zehn Jahre als Tourenradler mit dem klassischen Setup von Ortlieb unterwegs. Auf unserer letzten Langzeitreise haben wir unser Gepäck immer mehr reduziert und sind schliesslich auf ein gepäckträgerloses Bikepacking System an einem gefederten Mountainbike umgestiegen. Wir haben mit dem Wechsel je ca. 10kg eingespart und wir haben mehr Optionen bei der Routenwahl.

Welche Taschen brauchen wir?

Unsere Ausrüstung hat in einem 14L Seat Pack, einer 20L Frontrolle mit zusätzlichem Acessory Bag und einer Rahmentasche Platz. Für den Seat Pack und die Frontrolle setzen wir auf die Bikepackingprodukte von Alpamayo Design. Paul aus England hat diese auf seiner eigenen Biketour von Alaska nach Patagonien von Grund auf selber entworfen und getestet. Und diese Wurzeln merkt man den Produkten an. Sie sind durchdacht, robust und praktisch. Alpamayo setzt auf ein Harness System, in das spezielle Drybags gepackt werden. Diese lassen sich mit "einem Griff" aus dem Harness entfernen.

Die Frontrolle haben wir zudem in einen Black Ice 30l Leichtgewichtsrucksack von Exped verpackt. Damit haben wir die Möglichkeit, trekken zu gehen (auch praktisch für hike-a-bike Strecken) und können bei Bedarf mehr Proviant transportieren.

Die Rahmentasche ist selbst entwickelt und genäht und kommt ohne Reissverschluss aus. Die Erfahrung hat uns gezeigt dass Reissverschlüsse auf Langzeitreisen eine Schwachstelle sind. Für uns war daher klar, dass wir keinen Reissverschluss an der Rahmentasche wollen. Der Deckel unserer Tasche verläuft übers Oberrohr des Fahrradrahmens und lässt sich mit drei Schnallen schliessen. Durch dieses Design nutzen wir die Rahmendreieckgrösse voll aus.

Die Taschen werden mit je zwei Feedbags von Revelate Design ergänzt: Diese sitzen am Lenkervorbau und dienen uns als Behälter für Wasser- und Benzinflasche, sowie Sonnencreme und Smartphone/GPS.

Warum haben wir dieses Setup gewählt?

Uns hat es schon immer von den Hauptstrassen weggezogen. Für uns fängt das Reisen dort an, wo der Asphalt aufhört. So sind wir auch mit unseren Tourenfahrrädern oft abgelegene Strecken gefahren. Doch mit einem Mountainbike und einer leichten Ausrüstung macht das Ganze einfach viel mehr Spass. Wo wir früher geschoben haben, pedalen wir heute, wo wir den Umweg über die Hauptstrasse nehmen mussten, legen wir eine kurze Hike-a-Bike Strecke über den Wanderweg ein. Uns war wichtig, dass das Be-und Entladen genau so unkompliziert ist wie mit Packtaschen. Deshalb ist das Harnesssystem für uns ideal. Um den Gepäckberg klein zu halten, haben wir bewusst auf zusätzliche Taschen wie Gastank auf dem Oberrohr oder Anything Cages an der Frontgabel verzichtet.

Was packen wir wo?

Wenn man als Paar unterwegs ist, kann man verschiedene Dinge wie Zelt oder Kocher auf zwei Packsysteme aufteilen. Doch auch alleine kämen wir mit dem beschriebenen Setup aus. Wir packen immer gleich, haben aber keine strikte Aufteilung wie "Camping Equipment vorne, Kleider hinten". Wichtig ist, dass wir Dinge, welche wir während der Fahrt brauchen (z.B. Gore-Tex Jacke, Handschuhe etc.) im Seat Pack haben, da sie dort am schnellsten zugänglich sind. Die Rahmentasche benutzen wir für Proviant und Werkzeug.

Würden wir etwas ändern?

Wir haben während der Umstellung mit verschiedenen Tagesrucksäcken experimentiert und sind nun bei der Frontharnesslösung gelandet. Der Exped Rucksack ist nicht perfekt als Frontrolle geeignet (s. Fahrverhalten auf ruppigen Trails). Eventuell gäbe es einen Rucksack ohne Schaumstoff Rückenteil (z.B. Mountain Laurel Designs Burn CF 38L), der stabiler im Harness sitzt. Auf den Rucksack selber möchten wir aber nicht verzichten.
Manchmal stossen wir bei der Website Programmierung mit dem iPad mini an Grenzen. Ein Laptop wäre dann praktisch. Dafür haben wir aber keinen Platz. Eventuell wäre ein Windows Tablet die Lösung.
Unser Fahrrad ist limitiert auf eine maximale Reifenbreite von 2.4". Wenn wir längere offroad Winter- oder Wüstenstrecken fahren, wäre es toll, wenn wir die Option hätten, breitere Reifen zu montieren. Das Fahrrad selber ist relativ schwer, vielleicht wäre auch ein Aluminium Rad geeignet.

Wie transportieren wir Proviant und Wasser?

In den Rahmentaschen haben wir Platz für Proviant für vier Tage. Wenn wir mehr Ladekapazität benötigen, nutzen wir den Rucksack, der gewöhnlich über dem Originaldrybag am Lenker mitfährt. Den Rucksack füllen wir mit leichten Dingen wie Schlafsack und Daunenjacke und verteilen den zusätzlichen Proviant im Seat Pack bzw. der Lenkerrolle. So können wir bis zu 30 Liter über das normale Setup zuladen. Am Fahrrad haben wir je Platz für 2,5 Liter Wasser in Flaschen (Feedbag und Bidonhalter am Unterrohr). Zusätzlich haben wir je einen 4 Liter Wassersack (3 Liter netto) von MSR, den wir mit einem Gummizug auf dem hinteren Harness aufbinden können. Im Notfall hat auch noch eine 2 Liter PET Flasche auf dem Frontharness Platz.

Wie ist das Fahrverhalten auf ruppigen Trails?

Wir haben relativ viel Gewicht am Lenker, es sitzt aber alles fest am Rad. Die Ladung bleibt schmal, Proviant und schweres Werkzeug liegen zentriert in der Rahmentasche. So sind auch Singletrails und schlechte Pisten gut zu fahren. Auf ruppigen Wegabschnitten kann es vorkommen, dass sich der Rucksack im Frontharness leicht dreht und wir die Riemen nachziehen müssen. Da die Bänder durch Schlaufen am Rucksack geführt sind, kann er aber nicht herausfallen.

Zurück

© Alle Inhalte dieser Website gehören Brigitte & Ivo Jost, Hauptstrasse 82, 3854 Oberried, Schweiz
Für die Inhalte von verlinkten Seiten sind ausschliesslich deren Betreiber verantwortlich.